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ScheidungScheidungsgründe

Ein Küsschen in Ehren kann niemand verwehren?

Das Sprichwort meint ein freundschaftliches Küsschen, also das vor Corona übliche Begrüßungsritual der sogenannten „Bussi-Bussi-Gesellschaft.“ Küsschen oder Kuss? Die Frage wurde in so manchem Scheidungsverfahren genauestens analysiert.

Da brachte ein Mann eine Scheidungsklage ein, weil er ganz zufällig des Weges kam als seine Frau zu einem anderen Mann in das Auto stieg und diesen innig umarmte und küsste. Dies hat den Ehemann angeblich so schockiert, dass er die Ehe mit seiner Frau nicht mehr fortsetzen wollte. Die Frau stritt alles ab und behauptete, der Mann habe sich die Kussszene nur ausgedacht, damit er im Scheidungsverfahren bessere Karten hat. Auch der andere Mann wurde vor das Gericht zitiert und sagte, er habe die Frau nicht geküsst. Er könne sich höchstens vorstellen, dass er ihr vielleicht ein Begrüßungsbussi gegeben haben könnte. Aber auch daran vermöchte er sich nicht mehr konkret zu erinnern. Die Ehe wurde nach einem langen Verfahren aus gleichteiligem Verschulden beider Ehepartner geschieden.

In einem anderen Fall klagte die Ehefrau. Sie behauptete, ihr Mann sei völlig verändert von einem Kuraufenthalt zurückgekommen, denn er habe dort eine andere Frau kennengelernt, es soll sogar ein Gute Nacht Kuss getauscht worden sein. Der Mann hatte sogar zwei Damen kennengelernt, die im Scheidungsverfahren zum Thema Gute Nacht Kuss befragt wurden. Zur Überraschung aller Anwesenden stellte sich heraus, dass die beiden Frauen einander geküsst hatten. Sehr zur Freude des Ehemannes endete das Scheidungsverfahren aus alleinigem Verschulden seiner sehr dominanten Frau.

Letzte Woche traf ich mich mit zwei Freundinnen zum Abendessen. Als wir uns verabschiedeten, sagte die eine Freundin, dass sie nicht mit uns U-Bahn fährt, denn ein Bekannter holt sie ab. Ich habe die Begrüßungsszene leider verpasst, denn die andere Freundin meinte: “Aha, ein Bekannter – er hat sie auf den Mund geküsst!“

Ein Kuss auf den Mund ist mehr als ein Bussi, das haben wir zwei Juristinnen auf der Heimfahrt ausführlich diskutiert und waren uns einig, dass ein Kuss schon eine Eheverfehlung wäre. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur anständigen Begegnung umfasst, den Partner über nicht gemeinsame Freizeitgestaltung zu informieren. Erweckt ein Ehegatte durch sein Verhalten den Anschein einer ehewidrigen Beziehung, hat er aktiv über alle relevanten Umstände aufzuklären.

Interessierte LeserInnen finden weitere Informationen über die Pflicht zur anständigen Begegnung in den Artikeln „ich bin dann mal weg…“ vom 13.03.2017 und „Eingedüftelt auf die Jagd“ vom 02.01.2022.

Wenn Sie Fragen haben, sind wir gerne persönlich für Sie da. Vereinbaren Sie Ihren Termin für ein Beratungsgespräch.