Während aufrechter Ehe – also in guten Zeiten – räumte der Ehemann seiner Gattin ein lebenslanges Fruchtgenussrecht an 8/9 Anteilen einer ihm gehörenden Liegenschaft ein. Eine Gegenleistung der Frau erfolgte nicht. Mehr als 20 Jahre später, wurde die Ehe aus gleichteiligem Verschulden beider Gatten, geschieden. Im nachehelichen Aufteilungsverfahren stellte sich die Frage:
Muss der Mann seiner Ex-Frau für die Aufgabe dieses Fruchtgenusses einen Wertausgleich leisten?
Mangels Gegenleistung der Frau, ging der OGH (1 Ob 5/14p) von einer Schenkung des Mannes an seine frühere Gattin aus. In der Rechtsprechung wird vertreten, dass bei Liegenschaftsschenkungen im Allgemeinen der Wert der Liegenschaft bei der Ermittlung des dem Geschenkgeber aufzuerlegenden Ausgleichsbetrags weitestgehend außer Acht zu bleiben hat. Liegt daher die Schenkung eines Ehegatten an den anderen vor, ist der Wert der geschenkten Sache – soweit er nicht auf spätere Arbeitsleistungen oder Investitionen zurückzuführen ist – bei der Ermittlung des dem die Sache zurückfordernden Geschenkgebers aufzuerlegenden Ausgleichsbetrag nicht miteinzubeziehen. Dies führt in der Regel dazu, dass dem seinerzeit beschenkten Ehegatten für die Rückübertragung kein Ausgleich zuzubilligen ist.
Diese Rechtsprechung wird im Wesentlichen damit begründet, dass einer Schenkung zwischen Ehegatten regelmäßig die (oft unausgesprochene) Erwartung zugrunde liege, die Ehe werde Bestand haben; erfülle sich diese Erwartung nicht, sei der Gedanke des § 1266 ABGB analog auf Schenkungen anzuwenden, wenn ihr Zweck mit dem von Ehepakten verglichen werden kann. Zum gleichen Ergebnis gelange man unter Zugrundelegung der irrtumsrechtlichen Anfechtungsvoraussetzungen, weil die Schenkung dann regelmäßig auf einem Motivirrtum beruhe.
Nach Ansicht des OGH sind diese Grundsätze auch anzuwenden, wenn ein Ehepartner dem anderen zu dessen Absicherung ein Fruchtgenussrecht einräumt und die Einräumung dieses Rechts auf einer Schenkung in Erwartung des Fortbestandes der Ehe beruht. Dem Bestreben den anderen abzusichern werde regelmäßig die (unausgesprochene) Erwartung zugrundeliegen, die Ehe werde Bestand haben. Auch im vorliegenden Fall, sei die schenkungsweise Einräumung des Fruchtgenussrechts an die Ehefrau, erkennbar in dieser Erwartung erfolgt. Für die bloße Aufgabe des Fruchtgenussrechts sei der Ehefrau daher kein wertmäßiger Ausgleich zuzubilligen.
Wien, am 31. Juli 2015
Dr. Ingrid Bläumauer