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Vermögensteilung/Verträge

Ausgleichende Gerechtigkeit

Die Ehegatten heirateten 1991, der Mann ist Arzt, die Frau Lehrerin, sie hatten zwei gemeinsame Kinder. 1999 erwarb der Mann die Liegenschaft samt Haus, in dem er seine Ordination betrieb und die Frau die angrenzende Liegenschaft, auf der das eheliche Haus errichtet wurde. Das Geld für den Erwerb des Grundstücks bekam sie von ihrem Vater. Der Hausbau wurde mit Krediten und Geldzuwendungen des Vaters der Frau finanziert. Während aufrechter Ehe zahlte der Mann der Frau keine Betriebskosten für das eheliche Wohnhaus, gab ihr kein Wirtschaftsgeld, weigerte sich die Kosten für Tagesmutter und Kindergarten zu übernehmen und Geld für ein Auto beizusteuern, welches die Frau zur Ausübung ihres Berufs dringend benötigte. Im September 2010 zog die Frau aus dem ehelichen Haus aus. Das Scheidungsverfahren endete 2012.

Während des Scheidungsverfahrens versuchte die Frau einen Käufer für ihre Liegenschaft zu finden. Ein Interessent bot € 330.000. Der Mann, der mittels einstweiliger Verfügung ein Veräußerungs- und Belastungsverbot an dieser Liegenschaft erwirkt hatte, stimmte dem Verkauf nicht zu. Die Frau bzw. deren Familie bezahlten die Zinsen für die aushaftenden Kredite und Miete für eine anderweitige Bleibe.

Im Jahr 2012 ließ der Vater der Frau, auf den durch Rückzahlung eines Darlehens eine pfandrechtlich besicherte Forderung überging, die eheliche Liegenschaft, die seit mittlerweile zwei Jahren der Schwiegersohn allein nutzte, zwangsversteigern. Der Mann erhielt als einziger Bieter den Zuschlag um € 224.000. Hiervon wurden das Wohnbauförderungsdarlehen, Forderungen der Gemeinde, des Schwiegervaters und des Schwagers des Manns beglichen. Offen blieben eine Forderung des Schwagers mit € 12.758 und ein Kredit mit € 27.637, 54, dessen Zinsen weiterhin der Schwiegervater zahlte.

Die eheliche Liegenschaft samt Haus repräsentierte einen Verkehrswert von € 448.000, wovon der Verkehrswert des Grundstücks € 147.040 ausmachte.

Die Frau begehrte im Aufteilungsverfahren eine Ausgleichszahlung von € 141.676, da die Mittel zum Ankauf des Grundstücks zur Gänze ihr Vater zur Verfügung stellte und ihr beträchtliche Geldbeträge schenkte, die für den Bau des ehelichen Wohnhauses verwendet wurden. Der Mann begehrte von seiner Ex-Frau eine Ausgleichszahlung von € 123.131,22 da er zur Errichtung des Wohnhauses € 422.375,97 investiert habe und dafür noch Schulden von € 181.455,77 zu tragen habe. Außerdem sei Gegenstand des Aufteilungsverfahrens nicht mehr die Liegenschaft samt ehelichem Haus, sondern der an deren Stelle getretene Versteigerungserlös von € 224.000.

Das Erstgericht sprach der Frau die begehrte Ausgleichszahlung zu, wobei es die eheliche Liegenschaft in die Aufteilungsmasse einbezog, da diese zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehörte. Das Landesgericht bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass es für den Mann erheblich teurer gewesen wäre, hätte er die Liegenschaft außerhalb der Versteigerung im Aufteilungsverfahren erworben. Da es zur Frage, wie sich die Versteigerung der ehelichen Liegenschaft während des Aufteilungsverfahrens und deren Zuschlag an einen Ehegatten bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs auswirkt keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs gibt, wurde der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen.

Dieser sah die Problematik gänzlich anders und hob die Entscheidungen des Bezirksgerichts und des Landesgerichts auf (OGH 1Ob 244/14k = ifamZ 2015,131=Zak 2015,151).

Mit der Erteilung des Zuschlags in der Zwangsversteigerung sei die Liegenschaft samt Haus aus dem ehelichen Gebrauchsvermögen ausgeschieden und somit nicht mehr Gegenstand des Aufteilungsverfahrens. Dies gelte unabhängig davon, ob der Ehemann oder ein Dritter erworben hat. Da der Mann diese Liegenschaft erst nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft erwarb, handelt es sich um kein Vermögen, das die früheren Ehegatten während aufrechter Lebensgemeinschaft gemeinsam geschaffen oder zu dessen Erwerb sie gemeinsam beigetragen haben.

Der Verkehrswert der Liegenschaft sei nicht miteinzubeziehen, für eine analoge Anwendung des § 91 Abs 1 EheG sei kein Raum, da keine einseitige Disposition eines Ehegatten vorliege, zumal das Versteigerungsverfahren vom Vater der Frau allein betrieben wurde.

Dass der Mann dem Verkauf der Liegenschaft um € 330.000 nicht zustimmte, sei ihm nicht vorzuwerfen, da dieser Preis deutlich unter dem Verkehrswert lag. Auch, dass er in der Zwangsversteigerung zum geringsten Gebot erwarb, begründete keinen Vorwurf, schließlich war der Mann der einzige Bieter. Nach Ansicht des OGH könne im vorliegenden Fall nur der Versteigerungserlös maßgeblich sein. Die Ersteigerung der Liegenschaft durch den Ehemann könne nicht anders beurteilt werden, als der Erwerb durch einen Dritten.

Im Rahmen des § 83 Abs 1 EheG sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Ehemann keine Betriebskosten für das eheliche Haus zahlte, der Frau kein Wirtschaftsgeld gab, sich weigerte Kosten für Tagesmutter und Kindergarten für die beiden Kinder zu übernehmen. Die Kosten für die Errichtung des Hauses und den Erhalt der Liegenschaft wurden von der Frau, ihrem Vater und ihrem Bruder getragen. Deren Leistungen sind ihr zuzurechnen.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der eine Ehegatte es dem anderen durch Verzicht auf einen den Lebens- und Einkommensverhältnissen in der Ehe angemessenen Konsum ermöglichte, eheliches Gebrauchsvermögen anzuschaffen oder Ersparnisse anzusammeln.

Zu Lasten des Ehegatten, dem die Ehewohnung überlassen wurde, ist bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen, dass er sich den Aufwand für eine anderweitige Wohnmöglichkeit erspart.

Im vorliegenden Fall ersparte sich der Mann seit dem Einzug in das eheliche Haus im Herbst 2000 Aufwendungen und konnte so seine eigenen Kredite (für Ausbau seiner Liegenschaft und Garage) zurückzahlen. Dieser Vorteil sei hier annäherungsweise dadurch auszugleichen, dass der Mann für die Zeit von Herbst 2000 bis zum Auszug der Frau im September 2010 eine Ausgleichszahlung in der Höhe der Hälfte des (fiktiven) monatlichen Mietwerts leistet.

Für die Zeit danach bis zum Zuschlag in der Zwangsversteigerung, in der er das Haus allein nutzte, bemisst sich die Ausgleichszahlung nach dem vollen Mietwert. Der Umstand, dass der Mann zwischenzeitlich aufgrund eines polizeilichen Betretungsverbotes das Haus nicht bewohnte, sei seinem Verhalten zuzuschreiben und beeinflusst den Wert des ihm zugekommen Vorteils nicht.

Wien, am 15. September 2015

Dr. Ingrid Bläumauer

Zur Feststellung der Höhe des Mietwerts wurde die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (OGH 1Ob 244/14k = ifamZ 2015,131=Zak 2015,151).