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ScheidungScheidungsgründe

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Beide Ehegatten sind Akademiker. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die Ehe dauerte ca. 15 Jahre. Schon vor der Heirat ging das Paar zeitweise geringschätzig miteinander um, eine herzliche innige Beziehung führte es nie.

Der Ehemann ist ein Choleriker, verliert wegen Kleinigkeiten schnell die Fassung, wird dabei aggressiv, laut und ungehalten und wirft mit Gegenständen herum. Dies allerdings nur im Familienkreis.

Beide Ehegatten beschimpften sich regelmäßig, wobei die Frau ihren Mann auch öffentlich verspottete. Dieser wiederum demütigte seine Gattin, indem er Dinge auf den Boden warf und sie dann aufforderte, die so entstandenen Verunreinigungen wieder zu entfernen. Einmal sperrte der Mann seine Frau im Zuge eines Streits auf den Balkon.

Beide wurden handgreiflich, attackierten sich mit Handtüchern, ohrfeigten und schubsten sich und bewarfen sich mit Gegenständen. Die Frau schlug den Mann mit dem Föhn, schubste ihn die Stiege hinunter und warf ihm einen Topf nach. Der Mann hinderte seine Frau am Benutzen des PKW, indem er die Kennzeichen entfernte oder die Luft aus den Reifen ließ.

Um weiteren Streitigkeiten zu entgehen, zog der Mann ins Erdgeschoß des ehelichen Wohnhauses. Seither kochte die Frau nicht mehr für ihn. Er bereitete sich seine Mahlzeiten teilweise im Freien zu. Zeitweise montierte die Frau eine „Einbrecherkralle“, sodass der Mann das Obergeschoss nicht betreten konnte. Diese entfernte er einmal mit einem Bohrer.

Angesichts dieser Szenen ist es wohl nicht verwunderlich, dass die beiden auch in der Scheidung bis zum Obersten Gerichtshof stritten.

Wie das ausging?

Das Erstgericht ging von gleichteiligem Verschulden beider Ehegatten aus, das Berufungsgericht vom überwiegenden Verschulden des Mannes und der OGH wiederum von gleichteiligem Verschulden beider Streitteile.

Zur Verschuldenszumessung führte das Höchstgericht aus:

Um ein überwiegendes Verschulden eines Teils annehmen zu können, müsse ein erheblicher Unterschied im Grad des Verschuldens gegeben sein. Dabei sei nicht zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen hat, sondern auch, wer entscheidend zur Zerrüttung beigetragen hat.  Ein überwiegendes Verschulden sei nur dort anzunehmen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt.

Anders als im allgemeinen Sprachgebrauch, sei ein überwiegendes Verschulden nicht schon bei mehr als 50%igem Überwiegen anzunehmen. Der Gesetzgeber habe dem Richter nicht die Pflicht auferlegt, hinsichtlich des Verschuldensausmaßes subtile Abwägungen vorzunehmen; nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teiles, soll im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen. Ein überwiegendes Verschulden sei nur dann auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensteile augenscheinlich und evident hervortritt und das mindere Verschulden fast völlig in den Hintergrund tritt.

Auch ein bloß zahlenmäßiges Überwiegen vermöge kein überwiegendes Verschulden zu begründen.

Die festgestellten Gewalttätigkeiten beider Ehegatten seien aufgrund des besonderen Unwerts dieser Eheverfehlungen, jedenfalls als schwere Eheverfehlungen beider Streitteile zu qualifizieren. Es könne somit nicht eingewendet werden, dies sei der „normale Zustand“ der Beziehung.

(Fundstellen: OGH 6 Ob 149/13 z= iFamZ 2104,34= Ef-Z 2104/45 S 73= Zak 2014, 33).