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Eine Ehefrau lässt ihren Mann wegweisen, warum erfährt man nicht. Trotzdem sangen die Ehegatten gemeinsam in einem Chor und einem Volksliedensemble und besuchten regelmäßig die Proben. Außerdem waren sie in einem Zeitraum von mehr als drei Jahren zwei oder dreimal in einem Badeteich schwimmen. Einmal unternahmen sie einen Ausflug auf eine  Almhütte samt Übernachtung. Sie hatten auch regelmäßig telefonischen Kontakt und tauschten ab und zu Zärtlichkeiten.

Dies alles trotz vorangegangener Wegweisung!

Die Frau begehrte die Scheidung nach § 55 EheG, weil die Ehe für sie aufgrund des der Wegweisung vorangehenden Verhaltens des Mannes unheilbar zerrüttet ist und die häusliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben sei.

§ 55 EheG setzt eine unheilbare Zerrüttung und die zumindest dreijährige Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft voraus.

Die häusliche Gemeinschaft ist erst aufgehoben, wenn die Ehegatten keine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft mehr haben. Ob dies auch im vorliegenden Fall gegeben war, hatten die Gerichte zu beurteilen (OGH 8 0b 61/18f).

Das Gesetz fordert zwar die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft, aber nicht den Abbruch jeglichen persönlichen Kontakts. Gelegentliche Besuche, Gespräche über gemeinsam zu regelnde Angelegenheiten, Unterstützung in bestimmten Bereichen, ja sogar fallweiser Geschlechtsverkehr sprechen nach der Judikatur nicht gegen die  Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft.

Auch das gemeinsame Chorsingen bzw. der regelmäßige Besuch der Proben begründen nach Ansicht der Gerichte keine geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft, weil es bei solchen Gruppenaktivitäten typischerweise an Intimität und Paarbezogenheit fehle. Trotz der gemeinsamen Aktivitäten erachteten die Gerichte das Paar als getrennt.