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ScheidungScheidungsgründe

Reisende soll man nicht aufhalten, sagt das Sprichwort. Und der Oberste Gerichtshof?

Eine Ehe wurde aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Das Berufungsgericht legte den Parteien folgende schweren Eheverfehlungen zur Last:

Der Frau den Auszug aus der Ehewohnung, dem der Mann nicht zustimmte, die Vernachlässigung des Haushalts während der letzten zwei Jahre vor ihrem Auszug, sowie die etwa 9 Monate vor dem Auszug erfolgte Einstellung der Mitarbeit in der Landwirtschaft.

Dem Mann warf das Gericht vor, dass er sich nicht ausreichend der Gefühlssituation der Frau und ihrer Forderung nach einer partnerschaftlichen Ehe gegenüber offen zeigte und auf ihre diesbezüglichen Bedürfnisse einging. Weiters wurde ihm sein regelmäßiger Alkoholkonsum und sein Verhalten gegenüber anderen Frauen, wenn er getrunken hatte, vorgeworfen.

Bezüglich des Auszugs vertrat die Ehefrau den Standpunkt, dass dieser keine Eheverfehlung sei, dass sie der Ehemann nicht zur Rückkehr aufgefordert habe und blitzte damit ab. Zur Verwirklichung des Tatbestandes einer Eheverfehlung, komme es nicht darauf an, dass der verlassene Ehegatte den anderen noch zusätzlich (und vergeblich) zu seiner Rückkehr auffordert.

Das Verschulden des Verlassenden kann aber ausgeschlossen sein, wenn das Verlassen der Ehewohnung eine entschuldbare Reaktionshandlung auf schwerwiegende Eheverfehlungen des Partners darstellt. Die Frau hat im Verfahren nicht behauptet, dass ihr der weitere Verbleib in der gemeinsamen Wohnung unzumutbar gewesen war, sondern nur, dass der Mann ihrem Auszug zugestimmt hatte, was sie nicht beweisen konnte, und dass er sie nicht zur Rückkehr aufgefordert habe, was nicht erforderlich ist.

Reisende soll man nicht aufhalten, sagt das Sprichwort. Braucht man auch nicht, sagt der Oberste Gerichtshof (OGH 18.05.17, 10 Ob 23/17f).