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Die Ehefrau arbeitete im Reisebüro des Bruders ihres Gatten. Doch war sie mit dieser Arbeit so überfordert, dass ihr regelmäßig Fehler unterliefen, die letztendlich zu einem enormen finanziellen Schaden führten. Die Ehefrau hatte körperliche und psychische Probleme. All dies verschwieg sie ihrem Mann, was die Vertrauensbasis der Eheleute grundlegend erschütterte.

Dem Ehemann wurde als Eheverfehlung angelastet, dass er im Zuge eines Streits kurz vor Antritt einer (beruflichen) Silvesterreise 2012 gestand, er habe sich mit einer Dame, die auch an dieser Reise teilnahm, im Sommer 2012 sehr gut unterhalten. Dabei sei „allenfalls“ Geschlechtsverkehr ein Thema gewesen. Aus Rücksicht auf die jeweiligen Ehepartner und Kinder seien sie keine Beziehung eingegangen. Außerdem meinte er, dass er sich derzeit nicht entscheiden könne, ob sein Leben mit oder ohne Familie weitergeht. Als der Mann am 2. Jänner 2013 von dieser Reise zurückkehrte, wollte die Ehefrau wissen, wie es mit der Ehe weitergehen soll. Der Ehemann erklärte, dass er dies derzeit nicht sagen könne, weil er gerade erst angekommen sei. Vor dem Hintergrund dieser Erklärung wertete das Gericht, dass ihn die Ehefrau anschließend „hinauswarf“.

Außerdem wurde dem Ehemann angelastet, dass er seine berufsbedingten längeren Abwesenheiten im Hinblick auf die schwierige finanzielle Situation, die wegen der beruflichen Fehler der Ehefrau entstanden waren, nicht reduzierte.

Die Ehefrau wurde im August und September 2012 wegen ihrer Panikattacken und depressiven Störung stationär im Krankenhaus behandelt. Bevor der Mann seine Gattin ins Krankenhaus brachte, schleppte er sie zu seinem Bruder, wo sie eine vorgefertigten Erklärung zu unterfertigen hatte, in der sie die Verursachung eines Schadens in unbekannter Höhe zugestand und sich zur Schadenswiedergutmachung sowie Leistung einer Akontozahlung von € 100.000 binnen einer Woche verpflichtete. Der Ehemann trat dieser Verpflichtung als Bürge und Zahler bei. Noch während des stationären Aufenthalts der Frau, fuhr er mit dieser zur Bank, wo sie, um die zugesagte Zahlung leisten zu können, einen Kreditvertrag samt Pfandurkunde zu unterschreiben hatte. Im November 2012 fuhr der Mann eine Woche lang in ein Thermenhotel und war für die Ehefrau nicht einmal telefonisch erreichbar.

Dem Ehemann wurde ihm im Scheidungsverfahren angekreidet, dass er den schlechten psychischen Zustand der Frau nicht ausreichend berücksichtigte. Die psychische Erkrankung der Ehefrau erachteten die Gerichte als „Milderungsgrund“ in Bezug auf deren Eheverfehlungen.

Die Ehe wurde schließlich aus gleichteiligem Verschulden geschieden (OGH 3Ob 7/15y, iFamZ 2015, 130; EF-Z 2015/179). Die Gerichte gingen bei der Verschuldensabwägung von folgenden Grundsätzen aus:

Bei der Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend. Dabei müssen die Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei berücksichtigt werden muss, inwieweit diese einander bedingt haben bzw. ursächlich für das Scheitern der Ehe waren.

Bei beiderseitigem Verschulden muss ein sehr erheblicher Grad des Verschuldens gegeben sein, um ein überwiegendes Verschulden eines Teiles annehmen zu können. Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten hat nur dort zu erfolgen, wo der graduelle Unterschied der beidseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt, sodass neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teils das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt, weil das überwiegende Verschulden grundsätzlich dem Alleinverschulden gleichsteht.

Hinsichtlich des Verschuldensmaßes sind keine subtilen Abwägungen vorzunehmen. Im Scheidungsurteil soll nur das erheblich schwerere Verschulden zum Ausdruck kommen.