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KinderScheidung

Was ist daheim?

Mittelpunkt der Auseinandersetzung ist die achtjährige Clara, deren Eltern in Scheidung leben. Claras Mutter zog vor zwei Jahren aus der ehelichen Wohnung aus. Seither betreut Clara Montags und Mittwochs nach der Schule bis zum Unterrichtsbeginn am nächsten Tag der Papa, Dienstags und Donnerstags nach der Schule bis zum Unterrichtsbeginn am nächsten Tag die Mama. Die Wochenenden verbringt Clara abwechselnd bei Vater und Mutter.

Clara wiegt rund vier Kilo zu viel. Deshalb achtet ihr Vater sehr auf Ernährung und Bewegung. An den Tagen, die Clara bei ihm verbringt, gehen sie regelmäßig in den Prater laufen.

Bei der Mama darf Clara Freundinnen treffen und alles essen, was sie will. Beim Papa hingegen muss sie sich die Nachspeise durch „Laufjoker“ verdienen. Für Clara ist dieses Betreuungsmodell okay, sie wünschte sich auch mit der Mama Sport zu treiben und auch beim Papa Freundinnen zu treffen.

Die Obsorge beider Elternteile blieb aufrecht, die Betreuung wurde so festgelegt, wie sie bereits praktiziert wurde, also „Doppelresidenz“, mit (völlig) gleichteiliger Betreuung.

Strittig blieb die Frage: Wo ist Claras „hauptsächliche Aufenthalt“?

Die ersten beiden Instanzen entschieden sich für die Mutter, da sie befürchteten, der Druck auf Clara hinsichtlich sportlicher Betätigung und gesunder Ernährung würde sich erhöhen, wäre der hauptsächliche Aufenthalt beim Vater.

Claras Vater hat diese Entscheidungen bekämpft. Der Oberste Gerichtshof (27.09.2016, 6 Ob 149/16d) gab ihm weitgehend recht.

Der Begriff „hauptsächlicher Aufenthalt“ wurde im KindNamRÄG 2013 durch „hauptsächliche Betreuung“ ersetzt und wurde so verstanden, dass ein Elternteil das Kind zeitlich mehr betreut, als der andere.

Was aber, wenn das Kind annähernd gleichteilig von den Eltern betreut wird und dies dem Kindeswohl am besten entspricht?

Auch in Fällen der „Doppelresidenz“ ist festzulegen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, aber nicht nach zeitlichen Gesichtspunkten. Unter Zugrundelegung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 09.10.2015, dient dies als Anknüpfungspunkt für andere Rechtsfolgen z.B. Hauptwohnsitz im Sinne des Meldegesetzes, Geltendmachung von Familien- oder Wohnbeihilfe.

Der OGH hat die Entscheidung der ersten Instanzen in mehreren Punkten kritisiert.

Die Befürchtung, der Vater könne Druck auf Clara hinsichtlich sportlicher Betätigung und Ernährung ausüben, spielt eine Rolle bei der Frage: „Ist der Vater überhaupt in der Lage das Kind zu betreuen bzw. in welchem zeitlichem Ausmaß“. Es sei nicht entscheidend für die Festlegung der hauptsächlichen Betreuung nach den vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Kriterien. Danach sei insbesondere zu prüfen, wo Clara hauptwohnsitzgemeldet ist.

Das Höchstgericht vermisste auch eine besondere Begründung, warum die Mutter, die den gemeinsamen Haushalt- warum auch immer – verlassen hat, die hauptsächlich Betreuende sein sollte.

Begrifflich unsinnig sei die Festlegung des „Kontaktrechts“ bei gleichteiliger Betreuung. Es sollten die konkreten Modalitäten der Betreuung festgelegt werden.

Claras Vater war mit seinem Rekurs zwar erfolgreich, endgültig entschieden ist die Sache noch nicht, der Akt ist zur Klärung noch offener Fragen wieder beim Erstgericht.