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Wer das Treueversprechen bricht, gewinnt die Scheidung nicht

Ein Ehepaar, beide Ärzte, führte gemeinsam eine Praxis. Der Ehemann war schon im Jahr 2014 gegenüber seiner Frau kühl und distanziert. Von November 2018 bis März 2019 wurden bei der Frau In-vitro-Fertilisationen vorgenommen, die erfolglos verliefen. Die Frau war in dieser Zeit emotional sehr belastet. Der Ehemann ließ sie allein und kümmerte sich nicht um sie. Daher wünschte die Frau die Trennung, der Mann akzeptierte diesen Wunsch.

Danach unterhielt die Frau vorübergehend eine sexuelle Beziehung mit einem Arbeitskollegen. Dabei kamen sich die Frau und ihr Liebhaber auch einmal in den mit dem Ehemann gemeinsam genutzten Arzträumlichkeiten näher. Dies entgegen dem Ersuchen des Ehemannes.

Auch der Ehemann verabredete sich in diesem Zeitraum mit verschiedenen Frauen, hatte mit ihnen Geschlechtsverkehr und berichtete seiner Frau sogar darüber.

Im Zuge eines Streits aufgrund der Auflösung der bisher gemeinsam geführten Arztpraxis verletzte der Mann die Frau am Daumen. Die Frau erstattete Anzeige. Der Mann setzte die Frau unter Druck und verlangte, dass sie die Anzeige wieder zurückzieht. Die Frau zog im Juli 2019 aus der ehelichen Wohnung aus.

Noch im selben Monat kamen sich die Ehepartner, trotz all dieser Vorfälle, wieder näher. Sie verbrachten Zeit miteinander, hatten Geschlechtsverkehr und beschlossen – wenn auch nicht vorbehaltlos – „es noch einmal miteinander zu versuchen.“

Im September 2019 gab der Mann vor, mit Freunden ein paar Tage segeln zu gehen. Tatsächlich verbrachte er die Zeit mit einer anderen Frau in einem Wellnesshotel. Dies fand die Ehefrau im Oktober 2019 heraus. Der Treue- und Vertrauensbruch des Mannes in einer Zeit, in der sich das Paar um einen Neubeginn bemühte, führte letztendlich zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe.

Der Ehemann kämpfte bis zum Obersten Gerichtshof, alle Instanzen sprachen ihm das überwiegende Verschulden zu.

Zum Verschulden führte der OGH (2Ob 236/22b) aus:  Die Gewichtung einzelner Eheverfehlungen hängt nicht von einem zahlenmäßigen Überwiegen ab. Maßgeblich sind das Gesamtverhalten der Ehepartner und die besonderen Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere das Gewicht der Eheverfehlungen, ihre zeitliche und kausale Abfolge und somit ihr Beitrag zur Ehezerrüttung in die Beurteilung miteinzubeziehen sind.

Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen.

Dem Ehemann legte das Gericht folgende Eheverfehlungen zur Last:

  • Verletzung der Beistandspflicht im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung
  • Körperverletzung und der Druck auf die Ehefrau, um die Einstellung des Strafverfahrens zu erreichen,
  • erneuter Treue- und Vertrauensbruch während des Versuchs eines Neubeginns
  • mehrfach sexuelle Kontakte mit unterschiedlichen Frauen

Angesichts dieser Eheverfehlungen des Mannes, deren kausaler Abfolge und deren Beitrag zur Zerrüttung traten die Verfehlungen der Frau fast völlig in den Hintergrund, urteilten die Gerichte.

 

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