Ein Dauerbrenner bei Scheidungen ist die Frage, ob ein Ehepartner, der aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und weiterhin den Mietzins und andere Betriebskosten bezahlt, seinem Partner den Vorteil dieses „Gratis-Wohnens“ in Rechnung stellen kann. Ein paar Grundsatzfragen zu diesem Themenbereich fasst der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 169/23 v zusammen.
Frau wohnt, Mann zahlt
Der Mann war alleiniger Hauptmieter der Ehewohnung, aus der er im Juni 2015 auszog. Auch danach zahlte er weiterhin Miete, Haftpflichtversicherung und Liftkosten. In der Wohnung wohnten die Ehefrau und die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder. Im Jänner 2021 wurde die Ehe aus gleichteiligem Verschulden beider Ehepartner geschieden. Im Jahr 2023 landete das Aufteilungsverfahren beim Obersten Gerichtshofs.
Anrechnung des Wohnvorteils im Aufteilungsverfahren
Im Aufteilungsverfahren verlangte der Mann, dass der Frau der sog. „Wohn-Vorteil“ angerechnet wird. Die Frau wandte ein, dass ihr nur ein Viertel der Wohnkosten anzulasten seien, da auch die drei gemeinsamen Kinder in der Wohnung gewohnt hätten.
Die ersten beiden Instanzen haben dem Mann tatsächlich einen Teil dieser Wohnkosten zugesprochen. Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung auf.
Grundsätze zur Berücksichtigung des Wohnvorteils:
Eine abschließende Entscheidung hat der OGH nicht getroffen, aber die Grundsätze zum Thema Wohnvorteil zusammengefasst.
- Dem Ehepartner, dem vom anderen die Nutzung der bisherigen Ehewohnung überlassen wurde, kann für diesen Gebrauchsvorteil im Rahmen der Billigkeit ein pauschaler Ausgleich auferlegt werden.
- Ein Benützungsentgelt etwa in Form eines fiktiven Mietzinses scheidet aus.
- Auch einen Automatismus, wonach der verbliebene Ehegatte jedenfalls die vom anderen Teil aufgewendeten Mietkosten zu ersetzen habe, kann der Rechtsprechung nicht entnommen werden.
- Wird die Wohnung gemeinsam, mit aus der Ehe stammenden Kindern bewohnt, ist der Vorteil nur anteilig anzunehmen. Im vorliegenden Fall also nur ein Viertel der Wohnkosten.
- Außerdem ist zu prüfen, ob in der Nutzung der Ehewohnung durch den anderen Partner ein Wohnen im Rahmen des Naturalunterhalts liegt.
- Zusätzlich ist zu berücksichtigen, ob das zu leistende Entgelt unter jenem liegt, das für gleichartige Wohnungen üblicherweise bezahlt wird.
- Dauert die Benützung länger als drei Jahre, stellt sich auch die Frage nach der Verjährung. Wobei der OGH keinen Grund dafür sieht, den länger als drei Jahre zurückliegenden Wohnvorteil unberücksichtigt zu lassen.
- Im Rahmen der Billigkeit ist aber zu berücksichtigen, ob dem Mann überhaupt Aufwendungen für eine eigene Wohnmöglichkeit entstanden und ob er berechtigt aus der Ehewohnung auszog.
- Weiters, ob die bisherige Wohnung aufgrund des Auszugs eines Partners, die Bedürfnisse des anderen übersteigt
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