Skip to main content
Allgemein

Achtung beim Erbverzicht

Die meisten Menschen wünschen sich, dass ihre Angehörigen nach dem Tod versorgt sind. Noch viel mehr aber, dass diese in Frieden miteinander leben bzw. nicht um das Erbe streiten. Manche bedienen sich bei der Nachlassplanung eines Erbverzichts.

 

Der Erbverzicht ist ein notariatsaktspflichtiger Vertrag

Dabei verzichten potentiell (Erb-)Berechtigte, meist gegen Zahlung einer Abfindungssumme, auf die ihr erb- und/oder pflichtteilsrechtlich zustehenden Ansprüche. Viele meinen damit seien Streitigkeiten ums Erbe obsolet. Dass dies nicht immer zutrifft, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (0GH 10.09.2024, 2Ob117/24f).

 

Vorsicht: Falle!

Ein Vater zweier Töchter und eines Sohnes setzte im Juli 1989, in einem eigenhändigen Testament, eine der beiden Töchter zur Alleinerbin ein. Im Jahr 2021 gab die als Alleinerbin eingesetzte Tochter mit Notariatsakt einen Erbverzicht „auf alle ihr zustehenden Ansprüche aus dem Titel des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts einschließlich des Rechts auf Hinzu- und Anrechnung sowie Herausgabe von Schenkungen“, ab. Im Gegenzug erhielt sie 50.000,00 €.

Kurz darauf verstarb der Vater.  Die Tochter gab aufgrund des Testaments von 1989 eine unbedingte Erbsantrittserklärung zum gesamten Nachlass ihres Vaters ab. Ihr Erbrecht begründete sie damit, dass sie schon nach dem Wortlaut des Verzichts ausschließlich auf gesetzliche Ansprüche verzichtet habe, nicht aber auf jene, die ihr testamentarisch zustehen.

Ihr Bruder und Prozessgegner behauptete, das frühere Testament sei vom Erbverzicht umfasst.

 

Hebt ein späterer Erbverzicht frühere letztwillige Verfügungen auf?

Die ersten beiden Instanzen verneinten dies. Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht führte hierzu aus, dass sich ein Erbverzicht – wie im vorliegenden Fall – auf einzelne Berufungsgrunde beschränken könne. Es treffe daher nicht zu, dass jeder Erbverzicht frühere letztwillige Verfügungen aufhebt.

Der Bruder kämpfte bis zum Obersten Gerichtshof, um endgültig zu klären, ob der Erbverzicht auch den Verzicht auf das testamentarische Erbrecht umfasst.

Der OGH bestätigte die Rechtsansicht der beiden ersten Instanzen: ein Erbverzicht, der bloß das „gesetzliche Erb- oder Pflichtteilsrecht“ bzw. die „gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche“ umfassen, beseitigt nicht das testamentarische Erbrecht aus einer vor der Verzichtserklärung errichteten letztwilligen Verfügung.

 

Spannende Fragen, die offen bleiben:

Hat der Vater bei Abschluss des Erbverzichts auf das Testament vergessen? Wollte er, dass die Tochter trotzdem erbt? Wie kam die Tochter zu dem Testament? Wusste sie bei Abgabe des Erbverzichts überhaupt, von der Existenz des Testaments? Was ist mit der anderen Tochter?

 

Das könnte Sie auch interessieren: